Ein stilisierter Wanderer mit mehreren Gepäckstücken und einem faltbaren Bollerwagen als Symbol für Entscheidungen über Gepäck

Vorbereitet sein heißt nicht, alles dabei zu haben

Er wirkt so unfassbar praktisch – und ist im Alltag oft Ballast: der faltbare Bollerwagen. Beim letzten Zoobesuch rollte eine ganze Armada über die Wege, blockierte Kreuzungen – und transportierte nicht selten zwei Rucksäcke, die man besser getragen hätte. Kostenpunkt: 300 Euro. Frage: Gibt es bessere, günstigere, leichtere Alternativen?

Vorbereitung ist kontextabhängig

Mein Opa hatte im Winter zwei Decken im Auto. Er lebte im ländlichen Mecklenburg. Schneeverwehungen, stundenlang im Wagen ausharren – realistische Szenarien. Seine Vorbereitung war sinnvoll, weil sie zum Umfeld passte.

Ein Zoobesuch ist etwas anderes. Selbst mit Kindern und Picknick dauert er selten den ganzen Tag. Das Wetter lässt sich vorab checken. Pausen sind planbar. Vieles spricht dafür, leicht zu reisen – und spontan zu bleiben.

Die Sicherheitsillusion

Wir wollen für alle Eventualitäten gewappnet sein. Das fühlt sich nach Kontrolle an. Psychologisch sind hier drei Effekte am Werk:

  • Sicherheitsillusion: „Wenn ich alles dabeihabe, kann nichts schiefgehen.“ (Stimmt selten.)
  • Gruppendruck/Herdentrieb: „Alle haben einen Wagen – wir brauchen auch einen.“
  • Status-Signal: „Gute Eltern sind maximal vorbereitet.“ (Signal ersetzt Substanz.)

Die Folge: Wir schleppen Dinge, die wir in 90 % der Fälle nicht brauchen – und bezahlen dafür mit Geld, Energie und Nerven.

Dieses Verhalten folgt einem tiefen psychologischen Muster: der Verlustaversion. Wir empfinden potenzielle Verluste – etwa „etwas vergessen zu haben“ – emotional stärker als den tatsächlichen Nutzen von Leichtigkeit. Der Gedanke, unterwegs etwas zu vermissen, erzeugt Stress. Deshalb überkompensieren wir, indem wir alles einpacken – und verlieren damit paradoxerweise genau das, was wir eigentlich suchen: Sicherheit und Ruhe.

Matrix-Frage: Welche Alternativen gibt es?

Auch soziale Bestätigung spielt eine Rolle: Wir wollen nicht unvorbereitet wirken. Der Anblick anderer mit Bollerwagen oder überfüllten Rucksäcken vermittelt unterschwellig den Eindruck von Kontrolle und Fürsorglichkeit. Wer dagegen „leicht“ reist, läuft Gefahr, als sorglos oder unvernünftig wahrgenommen zu werden – ein klassischer Fall von sozialem Anpassungsdruck.

Statt Ja/Nein („Bollerwagen – ja oder nein?“) hilft Reframing: Was ist das eigentliche Problem, das ich lösen will? Transport? Pausen? Versorgung?

Optionen, die fast immer reichen:

  • Rucksack + Trinkflaschen (refillbar, leichter als Kisten)
  • Kleiner Snackbeutel pro Kind (Ownership senkt Quengeln)
  • Geplante Pausen (Parkbank > Wagenparkplatz)
  • Leichtes Regencape statt kompletter Ersatzgarderobe
  • Route vorab grob planen (Toiletten/Imbisse)
  • Vor-Ort-Lösungen: Leihwagen/Kinderwagen, falls wirklich nötig
Ressourcen klar denken

Zeit, Energie, Aufmerksamkeit sind knapper als Kofferraumvolumen. Ein Bollerwagen spart vielleicht ein paar Schritte – kostet aber Handling, Parken, Rangieren, Stress im Gedränge. Rechnen Sie ehrlich:

  • Anschaffung: 300 €
  • Nutzungsquote: 4–6 Einsätze/Jahr?
  • Nebenkosten: Platz daheim, Reinigung, Reparaturen
  • Energie: Schleppen, Ziehen, Diskutieren („Wer zieht als Nächstes?“)

Vergleich: Zwei gute Rucksäcke (je 25–30 L) + faltbare Sitzmatten + Refill-Flaschen kosten zusammen weniger – und sind immer nutzbar (Kita, Arbeit, Wochenendausflug).

Psychologischer Gegentest

Psychologisch betrachtet suchen wir in solchen Momenten nach externer Orientierung: Wenn viele etwas tun, interpretieren wir es als richtig. Das nennt sich soziale Bewährtheit. Doch dieser Mechanismus schwächt unsere Selbststeuerung. Wer lernt, ihn zu erkennen, gewinnt mentale Unabhängigkeit – und damit Freiheit, eigene Maßstäbe zu setzen.

„Was denken die anderen?“ – irrelevante Variable. Relevante Variablen sind: Kinder satt? Wasser da? Alle trocken? Laune stabil? Wenn ja: Mission erfüllt. Kein Mensch vergibt Punkte fürs Ziehen von 20 kg Gepäck im Slalom ums Flamingo-Gehege.

Mini-Check vor dem Losgehen (2 Minuten)
  • Wetter + Dauer realistisch einschätzen.
  • Packliste halbieren (Was kommt garantiert wieder ungeöffnet zurück?)
  • Plan B benennen: „Wenn X fehlt, kaufen/leihen wir es vor Ort.“
Matrix-Frage für den Alltag

„Welche Option bringt mich meinen Werten und Zielen am nächsten – mit dem geringsten Ressourceneinsatz?“
Wenn Bewegung, Autonomie, Gelassenheit zu Ihren Werten zählen, ist „leicht und flexibel“ fast immer überlegen.

Take-Home
  • Vorbereitung ≠ Vollpacken. Sie heißt: das Richtige, nicht das Meiste.
  • Kontext vor Komfort. Mein Opa im Schneesturm ≠ Ihr Stadtzoo im Herbst.
  • Alternativen prüfen. Rucksack, Refill, Pausen schlagen den 300-€-Wagen.
  • Ressourcen sind knapp. Zeit, Energie, Aufmerksamkeit wie Kapital behandeln.

Vorbereitung ist oft ein Spiegel unserer Ängste – nicht unserer Bedürfnisse. Wir packen gegen Unsicherheit, nicht für den tatsächlichen Bedarf. Wer den Mechanismus erkennt, kann ihn durch Bewusstheit ersetzen: Die Sicherheit, die wir suchen, entsteht nicht durch mehr Dinge, sondern durch klarere Entscheidungen.

Nächstes Mal im Zoo: leicht reisen, bewusst entscheiden. Der beste Bollerwagen ist oft keiner.


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