Warum wir an schlechten Projekten festhalten

Wir alle haben sie: Projekte, Ideen, Karrieren oder sogar Partnerschaften, an denen wir zu lange festhalten. Tief im Inneren wissen wir, dass es nicht mehr passt. Und doch schaffen wir es nicht, einen Schlusstrich zu ziehen. Stattdessen lassen wir den Dingen ihren Lauf – zu einem hohen Preis. Zu hoch? Vielleicht. Am besten erkennt man das, wenn man die Alternativen bewusst durchgeht.

Kontext

Mein alter Diesel hatte ständig technische Probleme. Immer wieder musste ich in die Werkstatt. Jedes Mal sagte ich mir: „Nur noch dieses eine Mal.“ Ich redete mir ein, der Wagen sei eigentlich noch gut, könne locker ein paar Jahre halten. Sechs Wochen später: wieder Motorstörung, wieder 500 Euro weg. Schließlich hatte ich genug und verkaufte ihn – mit Verlust, nach dem Dieselskandal. Heute weiß ich: egal. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Die Vergangenheit hat uns fest im Griff

Warum halten wir trotzdem fest? Psychologisch betrachtet wollen wir Verluste vermeiden – nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Wir haben Zeit, Energie und Selbstbild investiert. Aufzugeben hieße zuzugeben: „Ich lag falsch.“ Also rechtfertigen wir Entscheidungen, die längst überholt sind. Wir nennen es Durchhaltevermögen, obwohl es oft Angst vor Veränderung ist.

Ein anderer Aspekt ist Bequemlichkeit. Denn: Veränderung kostet Kraft. Nichtstun fühlt sich sicher an. Doch nicht zu handeln ist ebenfalls eine Entscheidung – nämlich die, den Status quo zu akzeptieren. Und damit auch die Bedingungen, die andere für uns geschaffen haben. Der Status quo wirkt vertraut, ist aber selten gut für uns.

Denn Festhalten heißt meist: weiter zu hohe Kosten, weiter kein Fortschritt, weiter dieselben Probleme – und das ewige Mantra: „Diesmal wird es gutgehen.“

Matrix-Frage: Welche Alternativen habe ich?

Genau hier setzt die Matrix-Frage an: „Welche realistischen Alternativen habe ich?“

Für mein altes Auto sah das so aus:

  1. Wagen weiterfahren und weitere Reparaturen riskieren.
  2. Wagen verkaufen und ein neues Auto kaufen.
  3. Wagen verkaufen und auf ÖPNV oder Carsharing umsteigen.

Der entscheidende Punkt: Keine dieser Alternativen berücksichtigt die Kosten der Vergangenheit. Die sind weg – sie gehören der Geschichte. Was zählt, sind die Kosten des Jetzt und der Zukunft. Nur die können wir beeinflussen.

Diese Perspektive schafft Freiheit. Statt Schuldgefühle oder Frust über alte Entscheidungen mitzutragen, lenken wir den Blick dorthin, wo Handlungsspielraum entsteht.

Psychologischer Mechanismus

Dieses Festhalten nennt man in der Verhaltensökonomie Sunk Cost Fallacy – den Fehler, vergangene Kosten in zukünftige Entscheidungen einzubeziehen. Wir investieren weiter, weil wir schon so viel investiert haben. Doch so verstärken wir Verluste. Das gleiche Prinzip gilt in Beziehungen, Projekten oder Berufen: Wir klammern uns an den Aufwand, nicht an das Ergebnis.

Hinzu kommt die Verlustaversion: Wir empfinden den Schmerz eines Verlusts etwa doppelt so stark wie die Freude über einen gleich großen Gewinn. Deshalb fällt Loslassen schwer. Wir handeln emotional, auch wenn wir uns rational vorkommen.

Wer diese Mechanismen kennt, kann bewusst gegensteuern – durch Distanz, Austausch und die Matrix-Frage.

Für den Alltag

Fragen Sie sich regelmäßig: „Welche realistischen Optionen habe ich – jetzt, nicht gestern?“
Diskutieren Sie das mit mindestens einer anderen Person. Fremde Perspektiven helfen, blinde Flecken zu erkennen.

Und dann: entscheiden. Denn eins steht fest – weiter am Alten festhalten wird immer nur das gleiche Ergebnis hervorbringen.

Loslassen ist kein Versagen, sondern eine Investition in Klarheit. Wer den Mut hat, Projekte, Routinen oder Beziehungen zu beenden, schafft Raum für Neues. Erfolg entsteht selten durch „noch einmal versuchen“, sondern durch bewusstes Stoppen, bevor es zu spät ist.


Weitere Denkanstöße zum Thema Loslassen finden Sie im Artikel Prestige-Auto und vorbereitet sein.

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