Stilisierte Solarpaneele auf einem Haus mit einer Ladesäule und einem E-Auto als Symbol für Energieautarkie

Energieautarkie? Warum viele PV-Konzepte am Bedarf vorbeigehen

Solarstrom ist billig. Er versorgt Wärmepumpe und E-Auto mit grüner Energie. Die Anlage müsse nur groß genug sein, am besten mit Speicher. Von Energieautarkie ist die Rede – unabhängig sein vom Netzbetreiber.

Unabhängigkeit klingt verführerisch – gerade in Zeiten steigender Energiepreise. Doch das Gefühl, unabhängig zu sein, ist nicht dasselbe wie tatsächlich unabhängig sein. Zwischen Autarkie und Autarkiegefühl liegen oft tausende Euro Differenz.

Das klingt nach genau dem Thema dieses Blogs. Stimmt die Werbung? Genau hier lohnen sich die Matrixfragen:
Welche Alternativen habe ich? Und: Ist die Investition in Photovoltaik wirklich der beste Einsatz meiner Ressourcen?

Hintergrund

Die Preise für Solarmodule sind in den letzten Jahren deutlich gefallen – ebenso wie die Einspeisevergütung. Gleichzeitig kamen Wärmepumpen und das E-Auto auf, beides Technologien mit hohem Stromverbrauch. Naheliegend also, den eigenen Verbrauch mit einer Solaranlage zu kombinieren.

Anzahl der Module, Ausrichtung, Speichergröße, Jahresertrag – all das berechnen Anbieter heute automatisch. Kaufen oder leasen? Die Entscheidung scheint einfach.

Doch lohnt sich das wirklich? Prüfen wir die Realität.

Der Autarkiegrad steigt nur, wenn Angebot und Nachfrage zusammenpassen

Es klingt so logisch: Eine PV-Anlage erzeugt Strom, wenn die Sonne scheint. Aber wann braucht die Wärmepumpe am meisten Energie? Richtig – im Winter.
Und wie passt das in Deutschland zusammen? Gar nicht.

Aus eigener Erfahrung mit einer Mini-PV und einer Wärmepumpe kann ich sagen: Die PV-Anlage erzeugt rund 80 % ihres Jahresertrags zwischen April und Oktober, die Wärmepumpe verbraucht 80 % ihres Jahresstroms zwischen November und März.

Beim E-Auto sieht es etwas besser aus – zumindest im Sommer. Wenn Sie tagsüber zu Hause sind, können Sie tatsächlich mit Solarstrom laden. Fahren Sie aber täglich zur Arbeit, erzeugt Ihre PV genau dann Strom, wenn Sie nicht da sind.

Und dann kommen die Profis mit der Lösung: dem Speicher.

Ein PV-Speicher für 8.000 € lohnt sich selten

Ein 10 kWh-Speicher reicht bei einer typischen E-Auto-Batterie von 50 kWh für rund 20 % Ladung – dann ist er leer. Den Rest beziehen Sie weiterhin aus dem Netz.

Bei der Wärmepumpe sieht es ähnlich aus: Eine größere Wärmepumpe zieht etwa 5 kW Leistung. Selbst wenn der Speicher im Winter voll wäre, reicht das für gerade einmal zwei Stunden Heizbetrieb. Aber im Winter lädt der Speicher selten voll.

Und wirtschaftlich? Ein moderner Heimspeicher hat eine Lebensdauer von rund zehn Jahren und hält in der Praxis 3.000 bis 4.000 Vollzyklen – weniger als die oft beworbenen 10.000. Das entspricht etwa 35.000 gespeicherten Kilowattstunden über die gesamte Laufzeit – theoretisch. Das sind 3500 Zyklen mal 10 kWh – ebenfalls theoretisch.

Bei einer Strompreisersparnis von 22 Cent pro Kilowattstunde ergibt das rund 7.000 bis 8.000 Euro. In der Praxis liegt der Wert deutlich darunter: Im Winter wird der Speicher selten vollgeladen, die nutzbare Kapazität sinkt mit der Zeit, und die Installationskosten von meist über 1.000 Euro sind noch gar nicht in der Rechnung enthalten.

Wirtschaftlich ist das System also kaum darstellbar – psychologisch dagegen perfekt. Es vermittelt das Gefühl von Kontrolle und Unabhängigkeit, selbst wenn die Zahlen eine andere Sprache sprechen.

Psychologische Falle

Es machen doch alle. Der Nachbar hat auch schon eine Anlage. Mag sein, dass es für ihn Sinn ergibt – aber für Sie?

Hinter vielen PV-Entscheidungen steckt weniger eine wirtschaftliche Kalkulation als das Bedürfnis nach Kontrolle und Zugehörigkeit. Wer eine Anlage kauft, kauft auch ein Stück Selbstbild: „Ich tue etwas Richtiges, ich gehöre zu den Vernünftigen.“ Das ist menschlich – aber kann teuer werden, wenn die Zahlen nicht stimmen.

Anbieter rechnen den Speicher schön, indem sie mit einem steigenden Autarkiegrad werben, nicht mit der tatsächlichen Ersparnis in Euro.

Wenn Sie also eine Solaranlage anschaffen wollen, dann ist meist ohne Speicher wirtschaftlich besser.

Auch bei Wärmepumpe und E-Auto gilt: Für die Statistik sieht alles gut aus – in der Realität aber meist nicht.

Matrixfrage 1: Welche Alternativen habe ich?

Die erste Alternative zur PV-Anlage ist: keine PV-Anlage, dafür ein günstiger Stromtarif und effiziente Geräte. Wie alt sind Ihre Haushaltsgeräte? Eine neue Gefriertruhe ist zwar nicht sexy, spart aber jedes Jahr hunderte Euro – ganz ohne Photovoltaik.

Oder: eine Mini-PV-Anlage. Kostet wenig, amortisiert sich schnell und reduziert zumindest einen Teil Ihres Strombedarfs.

Sie sehen: Es gibt Alternativen, die sich finanziell mehr lohnen, ohne dass Sie Handwerker koordinieren oder Angaben in der Steuererklärung machen müssen.

Matrixfrage 2: Ist es der beste Einsatz meiner Ressourcen?

Das lässt sich nur individuell beantworten. Wie wird sich Ihre Lebenssituation in den nächsten Jahren entwickeln? Sind Sie viel zu Hause? Verändert sich Ihr Verbrauch?

Wenn Sie dann noch etwas für die Umwelt tun möchten, können Sie den Kaufpreis einer PV-Anlage auch nachhaltig anlegen – in Umweltprojekte investieren oder sich selbst engagieren. Mit gleichem oder sogar größerem Effekt.

Fazit

Energieautarkie beginnt nicht auf dem Dach, sondern mit klugen Entscheidungen über den besten Einsatz Ihrer Ressourcen.

Vielleicht suchen wir bei der Energieautarkie gar keine Kilowattstunden, sondern ein Gefühl von Kontrolle in einer komplexen Welt. Wir wollen Kontrolle, wo wir Unsicherheit spüren. Doch wer Entscheidungen nach dem Gefühl von Autarkie trifft, kann schnell in Abhängigkeit geraten – nur diesmal von den eigenen Illusionen.

Und manchmal ist das klügste Handeln, nichts zu installieren.

Nachtrag: Herdentrieb auf dem Dach

Eine aktuelle Studie zeigt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt eine Solaranlage installiert, steigt signifikant, wenn Nachbarn bereits eine haben.
Rationale Investition? Eher Gruppendynamik. Die Photovoltaikanlage wird zum Statussymbol – und zum psychologischen Schutzschild gegen die Angst, „hintenanzustehen“.

Das bestätigt, was die Matrix schon zeigt: Wir treffen viele Entscheidungen nicht, weil sie objektiv sinnvoll sind, sondern weil sie sozial akzeptiert sind. Doch Zugehörigkeit ersetzt keine Rentabilität. Und Herdentrieb ist noch kein Energiemanagement.

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